Dank Kamphaus liefen die Maschinen wie geschmiert
Er ist das Installationsgedächtnis des Missionshauses
Im Missionshaus der Pallottiner leben und wirken nicht nur Patres, also Männer, die nach einem Studium der Theologie zu Priestern geweiht wurden. Dort sind auch mehrere Handwerksmeister zu Hause, Brüder, die den guten Ruf des Limburger Missionshauses über Jahrzehnte geprägt und sich darüber hinaus als Experten ihres Fachs einen Namen gemacht haben.
Einer von ihnen ist Hubert Kamphaus, nicht verwandt mit dem früheren Limburger Bischof Franz Kamphaus. Bruder Kamphaus stammt aus dem Oldenburger Land und ist gelernter Maschinenschlosser: ein Urgestein der Pallottiner, der die technische Infrastruktur und deren Funktionen auf dem Klostergelände zwischen der Wiesbadener und der Frankfurter Straße wie seine Westentasche kennt. Nicht von ungefähr spricht Rektor Pater Leo Wiszniewsky vom „Installationsgedächtnis des Missionshauses“.
Erst mal eine Schlosserlehre
Im Unterschied zu manchem seiner Mitbrüder war Kamphaus ein „Spätberufener“. Der zweitjüngste Spross einer zehnköpfigen Familie, die mit einem kleinen Fuhrunternehmen Kunden mit Milch versorgte, bildete sich in Oldenburg in einer Abendschule weiter. „Ich hatte mich schon früh für Metall interessiert und da mein Bruder schon vor mir in einem Schlosserbetrieb im Kreis Vechta arbeitete, durfte ich dort meine Lehre machen“, blickt der 85-Jährige zurück. Neun Jahre war er in derselben und berichtet: „In dieser Zeit haben wir 50 Kirchen eingerichtet.“
Aus Bruder Kamphaus‘ Nachbardorf stammte Clemens August Kardinal Graf von Galen. Der spätere Bischof von Münster (1933 bis 1946), der im Dritten Reich durch sein couragiertes Auftreten gegen die Nazis bekannt und nach seiner Verhaftung 1944 in das KZ Sachsenhausen verschleppt wurde, war der berühmteste Sohn seiner Heimat. Zehn Kilometer entfernt hat Kamphaus ab und zu das Gestüt der legendären Springreiter Paul und Alwin Schockemöhle besucht.
Bruder Kamphaus entstammt einem katholischen Elternhaus. Eine seiner Schwestern war vor ihm im Kloster der Pallottinerinnen. Unter anderem lebte sie in einer Einrichtung in Hadamar. Später stellte sie ihre Glaubens- und Arbeitskraft lange Jahre als Schwester Maria Sabina in den Dienst hilfsbedürftiger Menschen in Südafrika.
Pallottiner waren damals in Nordrhein-Westfalen keine Seltenheit. Hier und da kam ein Ordensmann in der typischen Kleidung, dem Habit, zu Besuch. Als sich eines Tages eine Nachbarin freute, „dass auch mal einer von uns zu einer religiösen Gemeinschaft geht“, da hatte sie den Hubert gemeint, der 1959 den Weg nach Limburg fand.
Groß, stark und kann mit Frauen umgehen
Die meisten Menschen kennen das: Es gibt Begegnungen, die einem zeitlebens in Erinnerung bleiben. Das hat auch Hubert Kamphaus erlebt. Kaum in der Niederlassung der Pallottiner eingetroffen, sprach ihn sein Vorgesetzter an: „Ich suche einen, der groß und stark ist und der mit Frauen umgehen kann.“ Der verdutzte Neuling stimmte zu und dann stellte sich heraus, dass die Wäscherei von einer Frau geleitet wurde, eine andere war im Kesselhaus. Das war damals ein Novum in einer Kommunität einer Männergemeinschaft.
„Ein ganzes Jahr musste ich in der Wäscherei helfen und dann im Kesselhaus. Doch schon kurz darauf hat mich der Leiter der Ordensprovinz gefragt: ‚Kannst du auch Alu-Fester bauen?‘ Er wollte keine Holzfenster mehr sehen“, erzählt Bruder Kamphaus und bekam den Auftrag, sämtliche Fenster umzurüsten. Dabei sollte es nicht bleiben; denn in der Folgezeit kam der Einbau von 80 Nasszellen dazu. Die Schlosserei verlegte dafür in fünf Stockwerken das erforderliche Rohrsystem.
Leiter einer „Allround-Abteilung“ und Ausbilder für 50 Lehrlinge
Bruder Kamphaus trat 1961, also zwei Jahre nach seiner Ankunft in Limburg, in das Kloster ein, dem er jetzt 59 Jahre angehört. Als Pallottiner bestand er die Meisterprüfung. In den 34 Jahren, in denen die Schlosserwerkstatt bis 2009 seiner Leitung unterstand, war er in zumeist mit vier weiteren Brüdern und in der Spitzenzeit mit neun Lehrlingen tätig. Bekannt war sein kommunikativer Führungsstil. Insgesamt habe er 50 Lehrlinge ausgebildet, sagt er und betont nicht ohne Stolz: „…und es ist keiner durchgefallen, weil wir viel geübt haben.“ Da verwundert es nicht, dass Bruder Kamphaus sein Fachwissen als Schlossermeister zwölf Jahre lang im Gesellen-Prüfungsausschuss einbrachte.
Die Schlosserei der Pallottiner entwickelte sich im Laufe der Jahre zu einer Allround-Abteilung. Mehrfach betont der 85-Jährige, dass nicht er alleine maßgebend war, sondern Teil eines engagierten Teams, wenn er erzählt: „In der Druckerei hatten wir viel mit der Rollenoffset zu tun. Es ist passiert, dass die externen Monteure eine Maschine zwei Jahre lang nicht zum Laufen brachten. Wir sind den Spezialisten zur Hand gegangen. – Jeden Tag mussten 40 Zentner Kohle ins Kesselhaus geschaufelt und die Asche herausgeholt werden. Morgens um 5 Uhr ging‘s für uns los. Auch die Kirche mit ihren undichten Fenstern und das Pfarrhaus mussten beheizt werden sowie 3.000 Quadratmeter Gewächshäuser in der Gärtnerei.“
Bruder Kamphaus hat die Entwicklung von der Kohle über Ölheizung bis zur Gaswärme hautnah miterlebt. „Wir haben die 6.000-Liter Öltanks selbst gebaut“, sagt er, „den Maschinenpark der Landwirtschaft repariert und in Eigenleistung vier Anhänger mit Abziehvorrichtung gebaut“. Seine Schlosserei war daneben für die einwandfreie Funktion zweier 60 und 13 Meter tiefen Brunnen zuständig, die den täglichen Verbrauch von 10.000 Liter Frischwasser sicherstellen mussten.
„Sind Mitbrüder umgezogen oder es war in anderen Niederlassungen Not am Handwerker, dann wurden wir Schlosser gerufen“, berichtet Kamphaus, der für interne Feiern die Schlosserei mit seinem Team auch schon mal in ein Lokal umfunktioniert hat. In seinem Gedächtnis bleiben die technischen Probleme tief verwurzelt, die sich bei der Montage der beiden selbst gemachten Kreuze hoch oben auf der Pallottinerkirche einstellten. „Bis wir mit allen Werkzeugen in luftiger Höhe angekommen waren, war der halbe Tag gelaufen“, erinnert sich der Meister, der auch nach Feierabend noch nicht die Hände in den Schoß legen wollte.
Kunst aus Meisterhand
Pater Rektor Wiszniewsky: „Oft brannte in seiner Werkstatt noch Licht bis in die Nacht. Dann ging Bruder Kamphaus seinem Hobby nach. Da wurde gedreht, geschmiedet und geschweißt; dann ließ der Werkstattleiter seiner Kreativität freien Lauf.“ Aus Eisenstangen wurden kunstvoll verzierte Kerzenständer, es entstanden Unterbauten für runde Tische, der Tabernakel für die Hauskapelle. Aus Stahlblech und gehämmerten Weißblech wurden unter den Händen des begabten Kunstschlossers wahre Meisterwerke. „Aus Eisen Kunstformen zu machen, auch das ist die Arbeit eines Schlossers“, erläutert Kamphaus und fügt sogleich hinzu: „Man kann ja mit jungen Leuten nicht nur viereckige Fenster bauen.“
Bei all den vielen Aufgaben liegt Bruder Kamphaus zeitlebens die Werbung junger Menschen für die Pallottiner am Herzen und sagt mit einem freudigen Lächeln: „Manch einer weiß doch gar nicht wie schön das hier ist.“ Fünf Mal pilgerte er nach Lourdes, 1963 ließ er es sich nicht nehmen, am 20. Januar bei der Heiligsprechung von Vinzenz Pallotti, des Gründers seiner Lebensgemeinschaft, dabei zu sein. Gleichsam ist Kamphaus‘ ausgeprägtes Interesse für die Arbeit in den Missionen bekannt. Ein Beispiel: Seinen Kontakten zu einem Mäzen in Dortmund ist die komplette Einrichtung einer Werkstatt in Kamerun zu verdanken.
Viele Jahre kurvte der Senior in seinem Rollstuhl um das Missionshaus. Er weiß auf den Zentimeter genau, wo alle Abwasserrohre liegen und hält sie aus dem Gedächtnis auf vielen Zeichnungen fest. „Er ist für den jetzigen Hausmeister sehr wertvoll; denn manches wüssten wir heute ohne den Hubert gar nicht“, bestätigt Pater Leo seinem Mitbruder. Dennoch: Die Schließung der Schlosserei vor elf Jahren habe für den Workaholic auch etwas Gutes gehabt: denn er dürfe endlich seinen Ruhestand genießen.
Beitrag: Dieter Fluck
Fotos: Bruder Georg Adams / Provinzarchiv der Pallottiner & Dieter Fluck
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