"Die Musik spielt weiter"

In Rheinbach schließt das Vinzenz-Pallotti-Kolleg

„Vor 81 Jahren hat hier zum ersten Mal ein Pallottiner zu Schülern gesprochen“, sagte Provinzial P. Helmut Scharler am 8. Juli, dem in einem doppelten Sinn „letzten Schultag“ am Vinzenz-Pallotti-Kolleg in Rheinbach. In Nord-Rhein-Westfalen begannen die Sommerferien und die Pallottiner beendeten ihre Schulträgerschaft.

1935 platzten die Niederlassungen in Limburg, Vallendar und Ehrenbreistein aus allen Nähten, so dass man nach einem neuen Ort für die Ausbildung des Nachwuchses suchte. Das Erzbistum Köln bot in Rheinbach das Hermann-Josef-Kolleg an, das nun die Pallottiner übernahmen. Zeitweise wurden dort auch die Philosophie-Stundeten unterrichtet. Am Schulbetrieb hatte die Stadt so viel Interesse – die Schüler machten ihr Abitur am Städtischen Gymnasium – so dass das Kolleg als einzige kirchliche Schule die Nazi-Zeit überlebte. Nach dem Krieg gab es ein großes Aufblühen. Das ermutigte die Gemeinschaft, etliche Patres in ein Sonderstudium für das Lehramt zu schicken bzw. in eine pädagogische Ausbildung für das Internat. Zudem strebte man das „eigene“ Abitur an. 1963 bekam die Schule die staatliche Anerkennung und hieß nun Vinzenz-Pallotti-Kolleg. Schule und Internat wurden ausgebaut und hatten zu Glanzzeiten über 800 bzw. über 300 Schüler. Neben dem hohen schulischen Niveau beeindruckte immer die Freizeitgestaltung, die kulturellen und sportlichen Angebote und Leistungen des Kollegs. Nicht zu vergessen die Hausaufgabenbetreuung („Silentium“), das Tagesinternat und die gefragte Schülerbibliothek. In Rheinbach und Umgebung wurde „das Pallotti“ zu einer Institution. Und das nicht allein für junge Leute. Die Patres waren in ihrer Seelsorgearbeit in der Vordereifel und an der Ahr geschätzt. Die 1972 eingeweihte Vinzenz-Pallotti-Kirche zieht bis heute zur Liturgie und zu Konzerten viele Menschen an. Lange Jahrzehnte waren die Brüder in der hauseigenen Gärtnerei gefragte Ratgeber (darüber hinaus waren sie in Bäckerei, Küche und Sakristei tätig).

Das Vinzenz-Pallotti-Kolleg brachte eine Reihe von Pallottinern für Heimat und Mission hervor – und eine Menge von  Männern, die sich in Beruf und Familie im Geist des Hl. Vinzenz Pallotti engagieren. Denn das war dem Kolleg immer ein Anliegen, nicht allein Wissen zu vermitteln, sondern Haltungen im Sinne des christlichen Menschenbildes. Drauf achtete die Schulleitung bei der Einstellung von Lehrerinnen und Lehrern.

Der Zug der Zeit ging auch nicht an Rheinbach vorbei. Nach und nach waren immer weniger Pallottiner im Kolleg tätig. Gesellschaftliche Veränderungen und  Finanzfragen bestimmten mehr und mehr das Klima. Das Internat, seit den 1970er Jahren drei großen Gebäuden auf dem Gelände diesseits der Pallotti-Straße, wurde 2009 geschlossen. In dieser Zeit kam auch stark die Frage auf, was wird aus dem Schulkomplex jenseits der Straße?

2001 verließ mit P. Werner Dohn der letzte Pallottiner die Leitung des Gymnasiums. Er hatte wie seine Vorgänger P. Herbert Nentwig und P. Dr. Rolf Erhard das Kolleg entscheidend geprägt und ausgebaut. Mit Helmut Kirfel stand nun erstmals ein Nicht-Pallottiner an der Spitze des Gymnasiums. Diese Berufung sollte sich in einem mehrfachen Sinn als Glücksfall erweisen. Nicht allein weil Kirfel ein engagierter Katholik ist, ein Vollblut-Pädagoge und ein versierter Schulrechtskenner, sondern weil er mit seiner Art zu leiten, Vertrauen weckt und Ziele erreicht.

Man muss eingestehen, die Pallottiner haben immer bestens mit dem Erzbistum Köln zusammengearbeitet, aber den Zeitpunkt versäumt, ihr Gymnasium an dieses abzugeben. Inzwischen nimmt das Erzbistum keine Schule mehr an, weil mit mehr als 30 Einrichtungen seine Möglichkeiten erschöpft sind.

In enger Nachbarschaft des Vinzenz-Pallotti-Kollegs gab es die Mädchenschule St. Joseph der Schwestern „Unserer Lieben Frau“. Dieses hat das Erzbistum vor vielen Jahren übernommen. Seit den Zeiten von P. Dohn gibt es eine gute Zusammenarbeit zwischen „Pallotti“ und „Joseph“, besonders in der Kursarbeit der Oberstufe. Deshalb gestaltet man auch seit 25 Jahren die Abiturfeier gemeinsam.

Auf diesem Hintergrund tat sich die Gemeinschaft leichter, vor mehr als fünf Jahren das Ende ihres Engagements am Pallotti-Kolleg anzupeilen, was de facto bedeutet: die Schule schließen. Ein großes Motiv begleitete nun die Arbeit: Die Schüler sollten in ihrem Ausbildungsweg keine Beeinträchtigung erfahren. Und das gelang. Seit fünf Jahren nimmt das St. Joseph-Gymnasium auch Jungen auf. Das VPK nahm ab dieser Zeit keinen Schüler mehr auf, sondern lief langsam aus. Das Erzbistum bot jeder Lehrerin und jedem Lehrer eine Stelle an, zumeist an St. Joseph. Neben der Schulabteilung des Erzbistums ist dieser gelungene „sanfte Übergang“ vor allem dem Einsatz von Helmut Kirfel und seinem Kollegen an St. Joseph, Hans Rieck, zu verdanken.

Darauf machten alle Redner des „letzten Schultages“ aufmerksam. Mehrfach erhielt Schulleiter Kirfel, der jüngst seinen 65. Geburtstag feiern konnte und jetzt in den Ruhestand geht, mit lang anhaltendem Applaus bedacht. Die Zeugnisausgabe wurde mit wunderbaren Klängen des Schulorchesters begleitet. Dessen Leiter, Andreas Wiedemann, brachte die wehmütig-erleichterte Stimmung dieses Tages auf den Punkt „Die Musik spielt weiter. Jetzt an St. Joseph.“

Für die Rheinbacher Bevölkerung und viele Ehemaligen (besonders des Internates) war es ein Schock, als sie erfuhren: Das „Pallotti“ schließt. Neben Verständnis für die Entscheidung der Pallottiner gab es auch viel Ärger und Kritik. vor allem aber Wehmut und Trauer. Nichtsdestotrotz war etwa der Abschied, den einige Ehemalige um Stefan Heuel am 2. Juli ausgerichtet hatten, ein „voller Erfolg“. Mehr als 700 Ehemalige ließen ihre Geschichte Review passieren und freuten sich am Wiedersehen. (Ein entsprechendes Buch ist in Planung.)

Wehmut, aber vor allem Dankbarkeit mit dem Blick auf das gelungene Werk und die Zukunft der Schüler, bestimmte den „letzten Schultag“. Provinzial P. Scharler: dankte allen Mitbrüdern und den vielen Frauen und Männern, die 81 Jahre in Rheinbach viel „mit Herzblut“ in Jugendliche investiert haben. „Ich sage dies alles mit schwerem Herzen und auch mit leichtem. Leicht, weil ich  überzeugt bin, dass das Gute, das gesät wurde, immer Früchte trägt, und dass unsere Schüler jetzt beim Erzbistum Köln in guten Händen sind.“                   ((11.07.16, hz))

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