genau wie die Schrift, die der Mönch Mesrop Maschtot
um das Jahr 405 schuf. Gleich ob man in Armenien lebt
(von den 10 Millionen Armeniern wohnen gut drei Milli-
onen in dem Kaukasusstaat) oder in der so genannten
Diaspora: Identitätsstiftend sind Sprache und Schrift
und irgendwie auch die Kirche.
I
mSeptember warenmehr als 10.000Menschen in Etsch-
miadsin, um die Myron-Weihe durch Katholikos Karekin
II. zu erleben. Viel Prominenz war zugegen. Auch kirch-
liche. Denn die Weihe ist auch ein ökumenisches Ereig-
nis. Neben zahlreichen Patriarchen und Bischöfen aus
der Orthodoxie war aus dem Vatikan Kardinal Leonardo
Sandri angereist, Präfekt der Ostkirchenkongregation.
ÜBER JEDEM ALTAR:
EIN BILD DER GOTTESMUTTER
Am Morgen des Sonntags hatte der Katholikos in der
Kathedrale von Etschmiadsin auf seinem Thron der
Eucharistiefeier beigewohnt. (Warum es neben Ka-
rekin II. noch einen zweiten Katholikos gibt und ei-
nen dritten, der mit dem Papst in Rom in Verbindung
steht, soll hier nicht erörtert werden. Die Geschichte
der Kirche Armeniens ist wie alle Kirchengeschich-
te, ja alle Religionsgeschichte äußerst kompliziert.)
Die Kathedrale ist wie alle armenischen Kirchen kaum
ausgeschmückt. Beeindruckend ist die Architektur. Sie
ist übrigens in ihrem Ursprung die älteste Kirche des
Landes. Nach einer Christus-Vision ließ sie Gregor, der
Erleuchter, der Kirchengründer Armeniens, hier auf
dem kargen Boden der Aararat-Ebene erbauen. Einziger
Schmuck der Kirchen ist das Bild der Gottesmutter auf
dem Altar und der Vorhang (in Etschmiadsin besonders
prächtig) vor der erhöhten Altar-Apsis. Dieser Vorhang
wird zwei Mal während der Liturgie geschlossen. Etwa
zur Gabenbereitung. Für westliche Augen auffallend.
Während dieser legt der Bischof alle seine bischöflichen
Insignien ab und zelebriert die Eucharistie dann sozusa-
gen als »einfacher Priester«. Wenn schon vom Schmuck
die Rede ist: Leuchtend sind in den Kirchen Armeniens
die wunderbaren, oft Golddurchwirkten liturgischen
Gewänder der Bischöfe, Priester, Diakone und Akoly-
then. Der feinste Schmuck der Liturgie sind die Gesänge
des gemischten Chores. Inmoderner westlicher Sprache
würde man sagen: Das Dreimal-Heilig ist ein Gänsehaut-
Erlebnis. Für West-Christen ungewohnt, wie wenig Gläu-
bige die Heilige Kommunion (unter beiden Gestalten)
empfangen, die Bischof und Priester kniend von der
»Altar-Bühne« reichen. Die meisten Gläubigen »begnü-
gen« sichmit demAntidoron, ein gesegnetes Brot, das in
vielen Orthodoxen Kirchen am Ende des Gottesdienstes
gereicht wird. Dem lateinischen Christen fällt das Wort
Agape ein.
Kloster Khor Virap über der Kerker-Höhle Gregor, des
Erleuchters. Das heutige Gebäude stammt aus dem 17. Jhd.
Im Hintergrund das Massiv des 5165 Meter hohen Ararat,
der seit 1920 zur Türkei gehört.
Der Bischof, umgeben von der liturgischen Begleitung von
Priestern und Diakonen, zeigt während der festlichen Eucharis-
tiefeier in der Kathedrale von Etschmiadsin der Gemeinde die
verhüllten eucharistischen Gaben.
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