Der alttestamentliche Weisheitslehrer Kohelet
gibt den Ratschlag: »Iss freudig dein Brot, und
trink vergnügt deinen Wein, nie fehle duftendes
Öl auf deinem Haupt« (
9,7f
). Im Alten Orient ge-
hörten Getreide, Wein und Öl zu den besonderen
Gaben Gottes. Syrien-Palästina gilt als Heimat
des Ölbaums. Da der Ölbaum im Zweistromland
und in Ägypten schlecht gedeiht, wurde Olivenöl
zu einem wichtigen Exportartikel Palästinas. Öl
diente in erster Linie zum Bereiten der Speisen. Es
machte diese schmackhaft und nahrhaft. Salben
mit Öl ist Ausdruck der Freude und bereitet Wohl-
befinden. Auch als Heilmittel diente Olivenöl, so-
wie als Mittel der Hautpflege nach dem Bad und
zur Pflege von Kopf-und Barthaar, eine Sitte, die
besonders dem Gast gegenüber geübt wurde. Der
Dichter von Psalm 133 empfindet die Eintracht un-
ter Brüdern so gut und schön wie köstliches Salböl,
das vom Kopf herabfließt auf den Bart. Im Neuen
Testament wird berichtet, dass eine Frau Jesus bei
einem Mahl die Füße mit wohlriechendem Öl ge-
salbt habe (
Lk 7,38
).
Der Gesalbte des Herrn
»Fülle dein Horn mit Öl, und mach dich auf den
Weg!« Ein seltsamer Auftrag, den der Prophet Sa-
muel in demnach ihmbenannten 1. Buch vonGott
erhält. Zu wem soll er gehen? Zu dem Betlehemi-
ten Isai, denn einen seiner sieben Söhne hat Gott
als König ausersehen. Einer nach dem anderen
stellte sich dem Propheten vor wie bei einer Mus-
terung. Doch keiner war trotz seines guten Ausse-
hens von Gott erwählt. Es fehlte noch der jüngste,
David. Der war bei den Schafen. Samuel ließ ihn
holen und als er ihn sah, sagte der Herr zu ihm:
Der ist es. Auf! salbe ihn! Und Samuel salbte Da-
vid zum König mitten unter seinen Brüdern. Und
von diesem Tag an war der Geist des Herrn über
David (
vgl. 1 Sam 16,1-13
). Auf diese Geistverleihung
beruft sich David bei seinen letzten Worten: »Der
Geist des Herrn sprach durch mich, sein Wort war
auf meiner Zunge« (
2 Sam 23,2
). Der Gesalbte steht
unter dem besonderen Schutz Gottes. Deshalb hat
David Saul in der Höhle nichts angetan, obwohl er
es hätte tun können. David war sich bewusst: »Saul
ist der Gesalbte des Herrn« (
1 Sam 24,7
). Saul war
vor David zum König gesalbt worden und hatte so
seine Legitimation erhalten: »Da nahm Samuel
den Ölkrug und goss Saul das Öl auf das Haupt,
küsste ihn und sagte: Hiermit hat der Herr dich
zum Fürsten über sein Erbe gesalbt« (
1 Sam 10,1
).
Jesus der Christus
Das ist das Urbekenntnis des Christentums. Die
Bezeichnung »Christus« leitet sich ab vom griechi-
schen Verbum für »salben«(chríein). Schon in der
griechischen Übersetzung der hebräischen Bibel,
der Septuaginta (
3. Jh. v. Chr.
), wird das hebräische
Wort für »der Gesalbte« (
maschíach
) mit »Christus«
bzw. mit »Messias« wiedergegeben. Beide Ausdrü-
cke entsprechen einander. Jesus hat den Christus-
Titel im politisch-königlichen Sinn nicht auf sich
angewandt. Wohl wusste er sich mit einer Sen-
dungsautorität von Gott ausgestattet, um das Got-
tesverhältnis der Menschen zu erneuern. Er war
das Reich Gottes in Person.
Der Christus-Titel hat sich nach der Auferwe-
ckung Jesu rasch mit dem Namen Jesu verbunden.
»Jetzt wird nicht mehr nur die Botschaft Jesu ver-
kündigt, sondern Jesus als der Christus wird selbst
zum Zentrum der Verkündigung« (
Ev. Erwachse-
nenkatechismus, 2010, 270
). In ihm hat sich die Hoff-
nung Israels auf einen endzeitlichen Heilsbrin-
ger erfüllt. Er ist der Christus, der Messias, den
Gott mit seinem Geist gesalbt hat. In ihm ist Gott
Mensch geworden. Das Bekenntnis: »Jesus Chris-
tus« macht das Unsagbare sagbar.
P
.
KARL HEINEN
»Du salbst mein
Haupt mit Öl«
Psalm 23, 5
03. 2016