Reformation - damals und heute

92 gehen und einen Horizont als eröffnet wahrnehmen, der sich auch in der Spiritualität Vinzenz Pallottis andeutet: die Suche nach der Verbun- denheit und Einheit der ganzen Menschheit. Unendlichkeit und Universalität – zurück zu Vinzenz Pallotti Pallottis Schriften sind durchzogen von seiner Fasziniertheit durch die Unendlichkeit Gottes. Unfassbar, unermesslich, unaussprechlich, ein- fach unendlich war für ihn dieses Bewegtsein, das er durch Gott erfuhr. Das Unendlichkeitszeichen, das er immer wieder zeichnete ( ∞ ), bezeugt es. Je mehr Pallotti die Unendlichkeit der Zuwendung Gottes zu erken- nen und zu spüren meint, desto leidenschaftlicher wird seine Sehnsucht, antworten zu können. Er ist überzeugt, dass nur dann eine entspre- chende Antwort der Liebe möglich wird, wenn alle Menschen die Liebe Gottes erwidern und weitertragen. Der Unendlichkeit Gottes entspricht auf menschlicher Seite die Universalität. Hier kann das Stichwort „alle“ theologisch verortet werden. In Pallottis Denken und Empfinden ver- birgt sich ein visionärer, ein prophetischer Ansatz, der dieses Gesamt der Menschheit meint. Die biblische Aussage, dass alle Menschen ein Bild Gottes sind, wird für Pallotti der cantus firmus seines Engage- ments. Er spricht an unzähligen Stellen davon und nennt die Menschen ein lebendiges Bild Gottes , nicht ein Bild wie aus Holz oder Stein, sondern lebendig und zu immer mehr , zu sempre più berufen – nicht im Sinne einer quantitativen Steigerung, sondern im Sinn der Dynamik einer stets wachsenden Liebe. Damit drückt er nichts anderes aus, als dass menschliches Leben am Leben Gottes teilhat. Und es sind alle, die an Gottes Wesen und seinen Attributen teilhaben, weshalb sie heilig, ge- recht, gütig und rein sind und vor allem wesenhaft auch in jenem Zu- sammenwirken der göttlichen Personen verankert, das menschliche Gemeinschaft bedingt und ermöglicht. Pallottis Anthropologie, die Überzeugung, dass menschliches Leben Teilhabe am göttlichen Leben sei, ist kein Panentheismus, sondern versucht zur Sprache zu bringen, wie die Perichorese des dreifaltigen Gottes und seiner Schöpfung in einer existenziellen Theologie, einer existenziellen Rede von Gott, Er- fahrungen des Lebens und der Mystik wiedergibt. An allen Attributen Gottes hat nach Pallotti das menschliche Leben teil, alleine deshalb, weil es geschöpfliches Leben ist: an Gottes Unendlichkeit und Heilig-

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