Mein Bekenntnis zur Organspende

Interview mit Pater Klaus Schäfer

Von 1999 bis 2014 war der katholische Pallottiner-Pater Klaus Schäfer SAC als Klinikseelsorger in Karlsruhe tätig – und kam dort mit dem Thema Organspende in Kontakt. Schockiert von den vielen kursierenden Halb- und Fehlinformationen, die im Netz wie auch in manchen Printmedien kursieren, arbeitete er sich immer tiefer in die Materie ein und versucht, inzwischen ein ausgewiesener Fachmann, in Deutschland, dem europäischen Schlusslicht beim Thema Organspende, zu informieren, zu Überlegungen anzuregen und Ängste zu nehmen. In seinem neuen Buch „Mein Bekenntnis zur Organspende“ hat er alle relevanten Fragen und Fakten zu dem Thema übersichtlich und verständlich zusammengetragen.

Mit ihm sprach Janina Beckmann, Pressesprecherin der Pallottiner.

 

Wie sind Sie zum ersten Mal mit dem Thema Organspende in Kontakt gekommen?

Durch einen Klinikangestellten in leitender Position, der mir beim Mittagessen erklären wollte, dass Hirntote Lebende seien und dass sie bei der Organentnahme umgebracht würden. Die Argumente, die er vorbrachte, waren für mich als Nicht-Mediziner nicht ganz schlüssig. Das war der Anstoß, mich überhaupt mit dem Thema zu beschäftigen. Ich habe mich dann gründlich informiert und mit dem, was ich auf der Intensivstation erlebt habe, auch sachlich in das Thema Hirntod eingearbeitet. Ich wollte den Zustand Hirntod auch für mich selber verstehen. Was heißt das? Was heißt der Zustand medizinisch und auch, was ist die Folge? Was heißt es, wenn das gesamte Hirn abgestorben ist? Wahrnehmung kann nicht mehr erfolgen. Denken, Erinnerung, das Ich, das ich bin, ist ausgelöscht. Das ist nicht mehr zu reparieren, das ist nicht mehr zu reanimieren. Das Ich, das ich bin, ist tot.

 

Viele Religionen haben zum Thema Organspende ein etwas spezielleres Verhältnis. Wie sehen Sie das? Gibt es aus christlicher Sicht Argumente dagegen oder dafür?

Aus religiöser, aus christlicher, Sicht sehe ich es eher als einen Apell – kein Zwang, aber ein Apell, seine Organe zu spenden. So wurde es ja auch schon 1990 von der Deutschen Bischofskonferenz und dem Rat der Evangelischen Kirche Deutschlands in ihrem gemeinsamen Papier „Organtransplantation“ beschrieben: Ein Akt der Nächstenliebe. Papst Benedikt hat es in einer Ansprache im November 2008 sogar als „Eine besondere Form der Nächstenliebe“ formuliert. 2015 hat sich die Deutsche Bischofskonferenz nochmal zu dem Thema geäußert: Der Hirntote ist nicht nur sterbend, sondern er ist wirklich tot und Organspende sei ein Akt der Nächstenliebe.

 

Und sachlich betrachtet? Was spricht dafür bzw. dagegen, seine Organe zu spenden?

Aus meiner Sicht gibt es keine sachlichen Argumente dagegen, dass ich selbst oder ein Angehöriger Organspender wird, wenn der Hirntot festgestellt wurde. Wenn ich „Ja“ zur Organspende sage, habe ich nicht verloren und wenn ich „Nein“ sage, habe ich nichts gewonnen. Im Gegenteil – auch für die Hinterbliebenen: Wenn ich „Nein“ zur Organspende sage und der Hirntod ist festgestellt, werden nach wenigen Minuten die Maschinen abgestellt – denn ab Feststellung des Hirntods zahlt die Krankenversicherung keine Weiterbehandlung. Wurde aber die Genehmigung zur Organentnahme erteilt, werden anschließend die Organe untersucht und die „guten“ Organe Eurotransplant in Holland gemeldet. Eurotransplant ermittelt dann die Empfänger und informiert den DSO-Koordinator in der Entnahmeklinik. Und dann erst beginnt die Organentnahme. Dieses Prozedere dauert in der Regel 12 bis 18 Stunden. Das ist eine Zeit, in der die Hinterbliebenen noch an einem Köper mit schlagendem Herzen Abschied nehmen können – auch um den Hirntod selber zu begreifen.

 

Wie stehen Sie zum Organspendeausweis?

Jeder sollte sich mit dem Thema Organspende beschäftigen und für sich selbst eine Entscheidung fällen – auch wenn er „Nein“ ankreuzt. Denn wer seine Entscheidung verschriftlicht, muss nicht den Hinterbliebenen diese Frage überlassen. Die wesentlichen Ursachen für Hirntod – zum Beispiel Hirnblutung – kommen ohne Vorwarnung und reißen uns Menschen plötzlich aus dem ganz normalen Leben. Im günstigsten Fall hat man noch ein paar Minuten und dann ist man nicht mehr handlungsfähig. Der Hirntod als unsichtbarer Tod ist für die Hinterbliebenen schwer begreifbar. Und dann noch die Frage nach Organspende beantworten zu müssen, ist eine völlig unpassende Situation.

Detaillierte Informationen zu dem Thema finden Sie in Pater Schäfers Buch „Mein Bekenntnis zur Organspende“

Über P. Schäfer: Der Autor lebt und arbeitet in der Kommunität der Pallottiner in Bruchsal. Er war fünfzehn Jahre Krankenhausseelsorger in den St. Vincentius-Kliniken in Karlsruhe (1999-2014) und ist heute Rektor der Hausgemeinschaft des Paulusheims in Bruchsal. Als engagierter Christ und ausgewiesener Fachmann, hat Pater Schäfer zahlreiche Schriften veröffentlicht und hält auf Anfrage Vorträge und Schulungen. Seine Themen sind Hirntod, Organtransplantation, Krankheit, Stillgeburt, Sterben, Tod und Trösten.   ((17.06.2016, JB))

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